Die Fest- und Feiertage sowie die Raunächte sind noch nicht vorüber, da purzelt bereits wider Erwarten die erste Postwurfsendung des jungen Jahres in die elektronischen Briefkästen der hier versammelten treuen Leserschaft. Diesmal gespickt mit guten Vorsätzen, Wortklaubereien und Aktualitäten vom Schreibtisch unserer Autorin, der Bestenauslese aus dem Salon literarischer Skurrilitäten und – bevor es wirklich ernst wird und das neue Jahr Anlauf nimmt – mit dem ersten Kapitel von „Das Bureau“.
Da wir nun offiziell (und hoffentlich alle unversehrt) das letzte Jahr des ersten Viertels dieses jungen Jahrtausends erreicht haben, ist es nur recht und billig, allen, die es bis hierher mit unserer Autorin geschafft haben, einen Ausblick auf die kommenden zwölf Monate und die guten Vorsätze und Pläne der Kaps zu gönnen.
Die Postwurfsendungen werden weiterhin regelmäßig jeden ersten Freitag im Monat erscheinen. Sollte plötzliche Arbeitswut unsere Autorin treffen, dann kann es sein, dass hin und wieder eine Depesche oder ein Märchen aus Xarelien abseits dieses festen Datums verschickt wird. Eine Überlastung Ihres elektronischen Briefkastens durch häufigere Nachrichten brauchen Sie aber auch in diesem Jahr nicht zu befürchten.
Womit Sie allerdings definitiv rechnen müssen, ist, dass die Kaps Sie mit diversen Lamenti rund um das Erscheinen ihres zweiten Romans beglücken wird. Hier wird es jetzt nämlich ernst und Sie dürfen einiges davon miterleben. Schließlich gilt es, unter anderem einen Klappentext zu formulieren und mit Canva herumzupfuschen, um Marketing zu simulieren. Juchhe.
Nun darf man ja während der Raunächte zwischen Heiligabend und Dreikönig keine Wäsche waschen, da sich sonst Druden und Dämonen darinnen verfangen können. Ob dies auch für das Schreiben gilt, lässt sich freilich nicht sagen. Aber man kann nicht vorsichtig genug sein, weshalb sich die Kaps – sofern es ihr gelang, sich für einige wenige Momente aus dem Plätzchen-, Gans- und Anginakoma zu erheben – von ihren diversen Schreibgeräten tunlichst fernhielt und stattdessen an anderen Projekten werkelte.
Was freilich nicht heißen soll, dass die eben erst eingeführte Rubrik Wortklaubereien bereits wieder aufgegeben wird, und darum folgt hier der derzeitige Wort- und Kapitelstand der beiden Dornenstücke, an denen unsere Autorin vorgibt zu arbeiten:
Opus No. 3 (Arbeitstitel Blut, Schweiß und Tränen): 72.651 Wörter; 5/52 Kapitel
Opus No. 4 (Arbeitstitel Crazy Hühnerbuchhandlung): 6.921 Wörter; 1/? Kapitel
Den aufmerksamen Leserinnen und Lesern mag nun auffallen, dass bei Opus No. 3 neunundzwanzig Worte hinzugekommen sind, während bei Opus No. 4 rund die Hälfte in den Orkus verabschiedet wurde. Und dass sich an der Anzahl der fertigen Kapitel nichts, aber auch rein gar nichts geändert hat. Ja, so ist das. Willkommen im Fegefeuer der schreibenden Zunft.
Doch um die allgemein positive Stimmung am taufrischen Beginn eines neuen Jahres nicht gleich wieder zunichte zu machen, sei angemerkt, dass die Kaps immerhin die im Sommer angepeilten Projekte „Buchbinden“ (siehe Bild oben) und „so viele schlechte Bücher wie möglich lesen“ (siehe Bild unten), erfolgreich umsetzen konnte. Was uns auch schon zur nächsten Rubrik unserer Postwurfsendungen bringt, nämlich dem Salon literarischer Skurrilitäten. Diesmal mit der Bestenauslese aus dem vergangenen Jahr.

Wir alle müssen uns an dieser Stelle freilich fragen, was es über die Genreliteratur im Allgemeinen und den Gemütszustand (bzw. literarischen Geschmack) der Kaps im Besonderen aussagt, wenn ihr Favorit im vergangenen Jahr einer furios-fidelen Fanfiction-Feder entflossen ist (die neben flotten Anspielungen auf den Harry Potter Kanon und gnadenlosen Verhurnackelungen desselben mehr als nur einige fragwürdige Frivolitäten enthält). Nichts allzu Schmeichelhaftes vermutlich, aber die Kaps war im Übrigen schon immer der Meinung, dass Dobby, dieser nölende Gollum von einem Hauself, am besten direkt bei seinem ersten Auftritt mit Hilfe eines gediegenen Cruciatus-Fluchs dem sozialverträglichen Frühableben zugeführt worden wäre und der siebte Band überhaupt ein einziges Missvergnügen …
… wie auch immer …
Um wenigstens sämtliche hochgezogenen Augenbrauen bezüglich ihrer Lektüreauswahl wieder zu glätten, lautet ein guter Vorsatz der Kaps für das kommende Jahr deshalb auch, zur Abwechslung mal wieder mindestens zwei zeitgenössische Romane und endlich den Hesperus von Jean Paul zu lesen, den sie im Studium begonnen und dann der Umstände wegen abgebrochen hatte.
Und anstelle einer Weisheit aus der Wundertüte der Weltliteratur, entlasse ich Sie heute wirklich und wahrhaftig mit dem ersten Kapitel des Bureaus:
Ein Fuchs in einer Koboldfalle
Sechster Monat des Jahres 1180 | Kurz vor der Sommersonnenwende
Der Exekutor, von dem unsere Geschichte handelt, war eine ganz und gar unselige Figur. Dessen waren sich alle Bewohner Jabluks, eines Außenpostens der Magischen Garde an der äußersten südöstlichen Grenze Droeglands, einig. Vor etwa drei Wochen war er dorthin versetzt worden, und nicht allein wegen des schwarzen, aus Maulwurf- und Katzenfell gesponnenen Dheamhanmantels, den er ungeniert anstelle des vorschriftsmäßigen schiefergrauen Gehrocks trug und dessen vormaligen Besitzer er angeblich eigenhändig erschlagen hatte, kreisten die scheußlichsten Gerüchte um ihn. Über den faden Rationen in der Feldkantine munkelten die niederen Ränge, er sei Teil einer anarchistischen Verschwörung gewesen und auf geheimnisvollen Wegen der Neutralisation durch die Inquisition des Bureaus entkommen. In der Offiziersmesse diskutierte man leise und obstbrandselig, ob er nicht der Bastard eines Erzmagiers des Magischen Konzils sein könnte, der lästig geworden war und darum diskret hatte verschwinden müssen. Was aber offenkundig fehlgeschlagen war, denn mindestens eine Marketenderin, draußen in den buntgestrichenen Hütten Jabluks, wusste zu berichten, dass der Exekutor, seinem feingliedrigen, drahtigen Körperbau zum Trotz, bald seit einem Jahrzehnt an den Rändern der Wälder Massiliens und Brekiliens oder hier im Niemandsland, kurz vor den Östlichen Salzsteppen, seinen Dienst tat. Was freilich mehr als erstaunlich war, denn der überwältigenden Mehrzahl der Exekutoren im Außendienst wurde im Verlauf des ersten Dienstjahres der Kopf von einer Striege abgerissen.
An welchem der kursierenden Gerüchte es auch liegen mochte – alle Bewohner Jabluks fühlten unbestimmte Furcht und misstrauische Abneigung in sich aufsteigen und schlugen heimlich das Zeichen gegen den Bösen Blick, wenn sie die unselige Gestalt des Exekutors auch nur in der Ferne erblickten. Dabei bekamen sie ihn ohnehin kaum zu Gesicht, denn der Exekutor hielt sich von sämtlichen Seelen Jabluks und von der Offiziersmesse fern. Tatsächlich sah man ihn eigentlich nur, wenn er hin und wieder in den frühen Morgenstunden aus der Puszta zurückkehrte und stracks in das Büro von Major Zetters lief, wo er einen blutig verschlagenen Ogerkopf in der Mitte des Schreibtisches platzierte und damit die ohnehin angegriffenen Nerven des Majors zunehmend zerrüttete. Deswegen hatte das Bureau den Exekutor nämlich nach Jabluk geschickt. Also nicht, um den Major Zetters zu enervieren, sondern weil in der Puszta eine Horde Oger hauste und in regelmäßigen Abständen die Soldaten, Kuriere und Rinderhirten dezimierte und man dies auf Dauer nicht leiden konnte.
An jenem Vormittag, der den Geschehnissen unserer Geschichte fast genau ein Jahr voranging, brannte die Sonne unerbittlich vom wolkenlosen Himmel herab und alle Bewohner Jabluks, von den Stallburschen über die Pferde bis hin zu Major Zetters, hatten Staub in Kehle, Ohren und Augen. Die beiden Ulanen, die ausgeritten waren, um die Koboldfallen zu prüfen, fanden den Exekutor im Schatten eines der spärlichen Büsche weit außerhalb von Jabluk. Obwohl sie inzwischen wussten, wo sie ihn suchen mussten, hätten sie ihn in der flimmernden Luft beinahe übersehen. Denn wenn man den Exekutor nicht dabei beobachtete, wie er Ogerköpfe in die Schreibstube des Majors trug, dann fand man ihn gut getarnt und lesend unter jenem Busch. Was ihn in den Augen der Bewohner Jabluks noch unheimlicher machte. Schließlich studierte er weder die pornographischen Heftchen, die unter den niederen Rängen in den Barracken zirkulierten, noch die Zeitungen, die für gewöhnlich – und nicht allein wegen der Oger – um Wochen zu spät in die Offiziersstuben von Jabluk geliefert wurden. Nein, der Exekutor las ein dickes ledergebundenes Handbuch sämtlicher Kreaturen, Erscheinungsformen und Sagengestalten des Alten Volkes. Den Schinken hatte er bei seinem letzten Einsatz aus der Bibliothek des Stadtmagiers von Podor aus Versehen mitgenommen, nachdem er dort einen Poltergeist vertrieben hatte. Dies alles wussten die beiden Ulanen natürlich nicht, ihnen war ein Buch suspekt genug.
Ebenso suspekt war ihnen, dass die Hitze, die in alle Ritzen drang und Jabluk und die Puszta in einen Backofen verwandelte, dem Exekutor nichts auszumachen schien. Derweil den beiden Ulanen in ihren Uniformen der Schweiß in Bächen den Rücken hinablief, stand ihm, obgleich er in den infamen Mantel gehüllt war, nicht eine Schweißperle auf der Stirn. Seine einzige Verneigung vor dem Wetter waren seine nackten Füße.
Der ältere der Ulanen stieß dem jüngeren den Ellenbogen in die Seite, woraufhin dieser nach vorne stolperte und stammelte: »Da ist was in eine der Koboldfallen gegangen.«
»Was braucht ihr da mich?«, fragte der Exekutor zwischen zwei Apfelbissen und ohne von seiner Lektüre aufzublicken.
»Es ist halt nicht bloß ein Kobold.«
»Na endlich«, erwiderte der Exekutor und warf den Apfelbutzen in einem unnatürlich weiten Bogen in die Puszta hinein. Anschließend kramte er einen zerknitterten Steckbrief hervor, den er vor einigen Jahren von der Mauer einer Poststation gerissen hatte, legte diesen zwischen die Seiten, klappte das Buch zu und verstaute es in einer dafür viel zu klein wirkenden Innentasche seines Mantels.
Der Exekutor hatte bereits darauf gewartet, gerufen zu werden. Schließlich nahte die Sommersonnenwende mit ihren merkwürdigen Vorkommnissen, die nun einmal rund um jenes denkwürdige Datum geschahen. Er erhob sich in aller Seelenruhe und schnallte die beiden Krummsäbel, die keiner der vorgeschriebenen Dienstwaffen auch nur im Entferntesten ähnelten, sondern geradezu nach einem der fliegenden Schwarzmärkte des Alten Volkes stanken, auf seinen Rücken. Dann folgte er den beiden Ulanen barfüßig hinaus in die Puszta.
Die Koboldfallen waren etwa fünf Jahrhunderte nach dem Ende des Hundertjährigen Krieges von Alchemisten entwickelt worden, als das Bureau allmählich begann, tauglich und harmlos erscheinende Geschöpfe des Alten Volkes einzufangen, um sie nach Möglichkeit zu zivilisieren und nützlichen Tätigkeiten zuzuführen. Anstelle eines Kobolds saß jedoch ein Fuchs in der Falle. Ein Fuchs, der deutlich größer als seine Artgenossen war und beinahe an das Körpermaß eines Wolfes heranreichte.
»Sollten wir ihm vielleicht eine Lanze in den Pelz jagen?«, fragte der ältere der beiden Ulanen. Sie hatten in sicherem Abstand zur Falle Stellung bezogen. Im Nachhinein betrachtet, wäre es wohl klug gewesen, dieses Angebot anzunehmen, doch der Exekutor schüttelte den Kopf. Da er bereits deutlich gefährlicheren Kreaturen gegenübergestanden war, hielt er den Fuchs für einigermaßen unbedenklich. Selbst wenn es sich bei dem Fang um einen der seltenen Róka, einen Werfuchs, handelte, würde er sich in seiner derzeitigen Lage nicht wandeln können. In die Stangen aus Kaltem Eisen waren nämlich Runen geritzt, die wie ein schlagendes Herz in regelmäßigen Abständen aufglimmten. Der eingerollte Fuchs zuckte im Takt dazu, denn die Falle war so beschaffen, dass sie die magische Essenz desjenigen, der in sie getappt war, gegen ihn wendete. Neugierig trat der Exekutor näher an die Falle heran. Aus einer Manteltasche hatte er zugleich einen weiteren Apfel gefischt und rieb diesen nun am Ärmel sauber. Als er hineinbiss, zuckte der Fuchs mit den Ohren und schlug die honiggelben Augen auf. Und fluchte höchst unschön. »Du hast mir gerade noch gefehlt, Loki Lügenspinner. Was machst du hier im Süden?«, bellte er kehlig in der Alten Sprache. Mit einem uralten Zorn, der aus den Tiefen der Zeiten, den Wurzeln der Welt selbst zu kommen schien, musterte der Fuchs den Exekutor, der wie vom Donner gerührt vor ihm stand. Plötzlich riss der Fuchs die Schnauze aus seinem prachtvollen Schwanz hoch und witterte. »Oh. Entschuldige, Kleiner. Ich hatte dich kurz für jemand anderen gehalten. Das liegt an diesem dreimal vermaledeiten Käfig, in dem ich seit Stunden festsitze. Der grillt mir das Hirn.« Der Fuchs setzte sich auf und legte seinen Schwanz artig um die Pfoten, sorgsam darauf bedacht, dass seine Ohrenspitzen nicht den Eisendeckel der Falle berührten. Noch immer zuckte er im Takt der Runen. Sein honiggelber Blick hielt den bernsteinfarbenen des Exekutors gefangen. Dem war, ohne dass er es bemerkt hatte, der angebissene Apfel aus der Hand gefallen.
»Du lässt mich jetzt besser hier raus, Kleiner«, knurrte der Fuchs. Zugleich zupfte würziger Duft nach Wald und wildem Tier am bisweilen hitzköpfigen Temperament des Exekutors, das ihn schon manches Mal dazu gezwungen hatte, sich vollkommen unbesonnen in Kalamitäten zu stürzen.
»Und weshalb sollte ich das tun?«, fragte der Exekutor, der sich mit einem Mal daran erinnerte, wie seine zahllosen Kindsmägde ihm stets sehr eindrücklich damit gedroht hatten, dass der Fuchs aus den Fabeln ihn eines schönen Tages fressen oder doch wenigstens zu den Winteralben in den Hohen Norden verschleppen würde.
Eine Lanze flog von hinten heran. Die Ulanen, der Alten Sprache nicht mächtig, verstanden zwar nicht, was der Fuchs sagte, doch spürten sie, dass etwas nicht stimmte. Allerdings verfehlte die Lanze ihr Ziel, denn der Exekutor fing sie mit einer lässigen Bewegung aus der Luft und ließ sie in Flammen aufgehen.
Der Fuchs verzog die Lefzen zu einem Grinsen. »Na, dann hör mir gut zu, denn ich werde es dir erklären.«
Postskriptum
Falls das erste Kapitel Sie neugierig gemacht hat und Sie es nicht erwarten können, mehr vom Bureau zu lesen, dann seien Sie an die Osterüberraschung aus dem letzten Jahr verwiesen. Ansonsten gilt es, sich eine Weile zu gedulden. Das Werk muss nun nämlich noch einmal mit Sinn und Verstand von unserer Autorin gelesen und ins Korrektorat geschickt werden. Ein hübsches Kleid benötigt das Bureau dann obendrein auch noch und so werden einige Wochen (und Monate) ins Land ziehen, ehe ein fertiges Buch in Händen gehalten werden kann.